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BGH – Rückforderung von unangemessen hohen Anwaltsgebühren möglich

Der BGH hat mit Urteil vom in der Sache BGH, IX ZR 90/23 vom 08.05.2025 entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen unangemessen hohe Rechtsanwaltsgebühren auch in zivilrechtlichen Verfahren zurückgefordert werden können. Hierbei setzt er die Grenze bei dem fünffachen Wert der gesetzlichen Gebühren und orientiert sich dabei an älteren Urteilen zu anderen Rechtsgebieten. Die gesetzlichen Gebühren bemessen sich am Gegenstandswert nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Es heißt in einem Leitsatz des Urteils:

Die tatsächliche Vermutung, dass ein vereinbartes Honorar unangemessen hoch ist, welches die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Fünffache übersteigt, gilt auch bei Vereinbarung eines Zeithonorars für zivilrechtliche Streitigkeiten.

Das Urteil betrifft dabei nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmer. Auch Geschäftsführer können von Folgen betroffen sein, etwa dann, wenn zweifelhafte Gebühren nicht zurückverlangt werden.

Sind Sie der Meinung, dass Sie in der jüngeren Vergangenheit zu hohe Anwaltsgebühren gezahlt haben? Dann könnte auch für Sie eine Rückforderung möglich sein. Sie können z.B. unter dem Prozesskostenrechner nach aktuellem RVG auf rvg-rechner.de selbst, sofern vorhanden, einen Gegenstandswert/Streitwert des Rechtsfalls eingeben und ermitteln, wie hoch die gesetzlichen Gebühren gewesen wären. Sofern ein gerichtliches Verfahren stattgefunden hat, kann der Streitwert einer gerichtlichen Entscheidung möglicherweise als Rechenbasis verwendet werden. Ansonsten entspricht der Streitwert in der Regel dem, was Sie im Rechtsfall gefordert haben, oder was von Ihnen gefordert wurde.

Haben Sie aber mehr als das fünffache der Gebühren nach dem RVG an Ihren Rechtsanwalt gezahlt? Wenn das der Fall ist, könnten unangemessen hohe Gebühren vorliegen, die daher u.U. zurückgefordert werden könnten.

Auch wenn Ihr ursprünglicher Rechtsfall nicht von einer Rechtsschutzversicherung gedeckt war, was z.B. häufig bei Fällen des Erb- oder Familienrechts der Fall ist, kann für die Rückforderung der Gebühren aber u.U. dennoch eine Rechtsschutzversicherung greifen, wenn diese das Vertragsrecht umfasst (hat).

Grundsätzlich kann die Rückforderung Abrechnungen der letzten 3 laufenden Jahre betreffen.

Falls Sie sich noch nicht sicher sind, ob Sie betroffen sind, hier ein Beispiel:

Sie haben eine Anwaltsrechnung zwischen dem 01.01.2021 – 31.05.2025 für einen Erbrechtsstreit mit einem Streitwert von 5000 ,- € erhalten. Danach wären 540,50 € nach der üblichen Geschäftsgebühr inkl. MwSt und Auslagen zu zahlen gewesen. Tatsächlich wurde Ihnen jedoch nur für die außergerichtliche Tätigkeit eine Gebühr in Höhe von 3.500,- € in Rechnung gestellt. In diesem Fall dürfte eine unangemessene Gebühr berechnet worden sein.

Gerne berate ich Sie im Rahmen der gesetzlichen Vergütung nach § 34 RVG oder prüfe ich prüfe Ihren Rechtsfall.

Gleichwohl muss aber auch angemerkt werden, dass der BGH einen kleinen Raum für höhere Vergütungen vorsieht, z.B. dann, wenn es sich um ein Dauermandat handelt.

Bedeutsam ist auch der Hinweis des BGH, dass auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um weniger als das Fünffache überschreitet, der Prüfung im Einzelfall nicht entzogen ist. Auch diese Fälle könnten daher nunmehr zu prüfen sein. Der BGH merkt weiter an, dass vereinbarte Zeithonorare zudem auch im Rahmen von AGB-Klauseln intransparent sein können, was daher ebenfalls zu prüfen sein kann. Er erkennt zudem, dass ein Rechtsfall auch deutlich mehr als 400 Stunden verursachen kann, was daher möglicherweise mit der Deckelung auf das Fünffache irgendwie überein zu bringen sein müsste.

Gerne prüfe ich Ihre Angelegenheit und helfe ggf. auch in einem kurzen Telefonat weiter.

Falls Sie an weiteren Details des Urteils interessiert sind, fasse ich hier einiges zusammen:

In den Gründen heißt es:

„Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren um das Fünffache überschreitet und somit eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die vereinbarten Gebühren nach § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Verbots von Erfolgshonoraren vom 12. Juni 2008 … unangemessen hoch sind und der Kläger diese Vermutung nicht entkräftet hat. …

Überschreitet die vereinbarte Vergütung die entsprechenden fiktiven gesetzlichen Gebühren um nicht mehr als das Fünffache, muss der Mandant darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist. Bei einem Überschreiten um mehr als das Fünffache muss hingegen der Rechtsanwalt die tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit des Honorars widerlegen. Hierzu genügt der Nachweis, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände gleichwohl angemessen ist…

Der Wortlaut des § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG unterscheidet für die Beurteilung, ob eine vereinbarte Vergütung unangemessen hoch ist, nicht danach, ob die Vergütungsvereinbarung lediglich für eine bestimmte anwaltliche Tätigkeit, für mehrere gleichzeitig oder nacheinander beauftragte unterschiedliche Tätigkeiten oder ein Dauermandat getroffen wurde. Richtigerweise ist für § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG an die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung anzuknüpfen. Die Vergütungsvereinbarung bestimmt, auf welche Tätigkeiten und welche Angelegenheiten die Prüfung der unangemessenen Höhe der Vergütung zu beziehen ist, weil es für die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung darauf ankommt, ob es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14, ZIP 2016, 2479 Rn. 28 mwN).

Nach der Vereinbarung der Parteien richtet sich, ob von einer einheitlichen Vergütungsvereinbarung erfasste anwaltliche Tätigkeiten, die jeweils den Gegenstand eines selbständigen Anwaltsdienstvertrags bilden können, für die Prüfung der Angemessenheit der Vergütung getrennt von anderen nach der Vergütungsvereinbarung erfassten Aufträgen zu betrachten sind. Wurde der Rechtsanwalt mit anwaltlichen Tätigkeiten betraut, die üblicherweise den Gegenstand eines selbständigen Anwaltsdienstvertrags bilden, ist grundsätzlich auf die hierfür ausgeübten Tätigkeiten, den darauf entfallenden Teil der Vergütung nach der Vergütungsvereinbarung sowie die hierfür fiktiv anfallenden gesetzlichen Gebühren abzustellen. Dies umfasst sämtliche in diesem Rahmen beauftragten Angelegenheiten. Anders ist dies nur dann, wenn nach der Vergütungsvereinbarung keine Zuordnung bestimmter Teile der verdienten Vergütung zu den jeweiligen getrennt zu betrachtenden Aufträgen möglich oder vorgesehen ist, wie etwa bei einem Pauschalhonorar … Eine Gesamtbetrachtung sämtlicher von der Vergütungsvereinbarung erfassten Tätigkeiten kommt zudem dann in Betracht, wenn dem Rechtsanwalt ein Dauermandat erteilt worden ist…

Ein Dauermandat wird dagegen insbesondere in Betracht kommen, wenn sich der Rechtsanwalt zur regelmäßigen Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet, also zum Beispiel vereinbart wird, dass er gegen ein bestimmtes Honorar sämtliche anfallenden Tätigkeiten übernimmt…

Zwar haben der Beklagte und seine Ehefrau den Kläger mit ihrer Vertretung in mehreren Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit ihrem Bauvorhaben beauftragt. Dabei handelte es sich aber um unterschiedliche Rechtsstreitigkeiten mit verschiedenen Gegnern, zwischen denen die Parteien entsprechend unterschieden haben. Dies ergibt sich bereits aus der von den Parteien gewählten Bezeichnung als Mandat A. , Mandat G. , Mandat N. , Mandat K. , Mandat B. und Mandat Rechnungsumschreibung, die erkennbar auf den jeweiligen Auftragsinhalt abstellen. Der Kläger hat zudem die einzelnen Tätigkeiten dergestalt gesondert abgerechnet, dass getrennte Zwischenrechnungen mit der jeweiligen Mandatsbezeichnung erstellt wurden. Der Beklagte und seine Ehefrau haben dem nicht widersprochen.

Dies hat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Folge, dass das nach der Vergütungsvereinbarung für das Mandat A. abgerechnete Honorar in Höhe von 90.940,71 € den entsprechenden fiktiven gesetzlichen Gebühren in Höhe von 18.323,27 € gegenüberzustellen ist.

Dann überstieg das vereinbarte Honorar für das Mandat A. die gesetzlichen Gebühren aber lediglich um den Faktor 4,96. Für das Mandat G. ist das abgerechnete Honorar in Höhe von 26.470,10 € den entsprechenden fiktiven gesetzlichen Gebühren in Höhe von 6.051,51 € gegenüberzustellen. Dann überstieg das vereinbarte Honorar für das Mandat G. die gesetzlichen Gebühren lediglich um den Faktor 4,37. Nachdem die tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit des vereinbarten Honorars im Streitfall zugunsten des Beklagten nicht eingreift, ist von dem Beklagten im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass das vereinbarte Honorar im Sinn des § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG unangemessen hoch ist. Die Unangemessenheit des vereinbarten Honorars kann im jeweiligen Einzelfall auch dann vorliegen, wenn das vereinbarte Honorar die gesetzlichen Gebühren um weniger als das Fünffache überschreitet. Eine entsprechende Prüfung hat das Berufungsgericht, das vom Vorliegen einer tatsächlichen Vermutung für die unangemessene Höhe des vereinbarten Honorars ausgegangen ist, bislang nicht angestellt….

Für die Frage, ob das vereinbarte Honorar im Sinne des § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG unangemessen hoch ist, ist außerdem zu prüfen, ob die nachgewiesenen Stunden in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Schwierigkeit der Sache stehen. Damit soll einer unvertretbaren Aufblähung der für die Sache aufzuwendenden Arbeitszeit zum Nachteil des Mandanten vorgebeugt werden. Der zu vergütende zeitliche Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit stehen.

Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die vereinbarte Vergütung für das Mandat A. und / oder das Mandat G. nach § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG unangemessen hoch ist, wird es die Vergütung unter Wahrung des von den Parteien vereinbarten Vergütungsmodells auf den angemessenen Betrag herabzusetzen haben. Dazu wird es eine überschlägige Schätzung anzustellen haben, welcher Zeitaufwand für die Bearbeitung jeweils verhältnismäßig erscheint.“

Falls Sie noch mehr zum Thema wissen wollen, finden Sie hier auch einen Artikel der LTO: Zivilrecht: BGH macht Vorgaben zur Anwaltsvergütung .

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