Anwalt mit Berufungsbegründung lässig - KI Bild

BGH: Anforderungen an § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO bleiben winzig

Gerade auf Massenschäden halbherzig spezialisierte Kanzleien können aufatmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit BGH, Beschl. v. 09.09.2025 – VIa ZB 3/23, erneut seine niedrigen Anforderungen an die Begründung einer Berufung bestätigt.

Er hatte über eine verworfene Berufung durch das OLG Celle in einen Abgasskandal-Fall zu entscheiden. Gegenständlich waren mögliche Schadensersatzansprüche eines Eigentümers eines Fiat-Wohnmobils, die geltend gemacht werden sollten. Allerdings hatte der zuständige Rechtsanwalt bei der Berufungsbegründung womöglich nur (aber immerhin) das Aktenzeichen und das Verkündungsdatum angepasst, während aber der Fließtext noch im Wesentlichen aus Formulierungen zu einem anderen Verfahren bestand und damit eine ‚Copy-and-Paste-Berufungsbegründung‘ vorgelegen hat.

Da aber im Schriftsatz das Aktenzeichen und Verkündungsdatum zutreffend wiedergegeben, diese Entscheidung ausdrücklich angefochten wurde und auch die Begründung zumindest in Teilen den Nagel auf den Kopf getroffen hatte – wenn auch einiges nicht zum tatsächlichen Sachverhalt zu passen vermochte – genügte dies den Anforderungen des BGH. Daher konnte sich das OLG Celle im Ergebnis der Sache nicht mit einem ‚522er-Beschluss‘ nach § 522 ZPO entledigen, auch wenn dies im vorliegenden Fall mit einem sogar zunächst unzutreffenden Sachantrag tatsächlich nicht gerade fernliegend gewesen sein dürfte.

Der BGH stellte u.a. fest:

Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger das angefochtene Urteil eingangs der Berufungsbegründung zweimal mit dem Aktenzeichen und Verkündungsdatum zutreffend bezeichnet und zum Umfang der Berufung klargestellt hat, das Urteil werde im vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.
Auch die weiteren Ausführungen lassen sich – trotz ihrer aus vergleichbaren Verfahren bekannten, verallgemeinernden Formulierungen („streitgegenständliches Fahrzeug“, „Dieselfahrzeug“, „Klagepartei“) – ohne weiteres auf das erstinstanzliche Urteil beziehen; insbesondere gibt der Kläger die tragenden Erwägungen, mit denen das Landgericht den Klageanspruch verneint hat, zutreffend wieder.
..

Darauf deutet in des nur die Formulierung dieses Berufungsantrags selbst hin. Sie aber beruhte – abgesehen davon, dass es eines förmlichen Sachantrags nicht unbedingt bedurfte – offenkundig auf einem Versehen…

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angegriffenen Urteil begründen und deshalb neue Feststellungen gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen an diesbezügliche Darlegungen des Berufungsklägers bestehen allerdings nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind...

Sie gibt – wie bereits erwähnt – das erstinstanzliche Urteil insoweit zu treffend wieder, als das Landgericht für einen Anspruch aus § 826 BGB schon keine sittenwidrige Schädigung des Klägers durch die Beklagte zu erkennen vermochte und das (unstreitige) Vorhandensein eines „Thermofensters“ für die Bejahung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht für ausreichend erachtete. Diese (einzig) tragenden Erwägungen greift die Berufungsbegründung schon hinreichend an, indem sie dem entgegenhält, bereits in der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung liege eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte

Der Zulässigkeit der Berufung steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Berufungsbegründung mehrfach Textbausteine und abstrakte Passagen verwendet und Erwägungen des Landgerichts teils unzutreffend wiedergibt, wie das Berufungsgericht richtig aufzeigt. Denn sie geht trotz des Vorhandenseins dieser Mängel nicht nur sporadisch auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil ein.

Es ist daher zu konstatieren, dass die Hürden für eine zulässige Berufungsbegründung weiterhin sehr niedrig bleiben – zum Glück der Anwaltschaft.

Gerne berate ich Kanzleien, wie sie Workflows oder ihr Schriftsatzwesen besser optimieren können, um mit möglichst wenig Personaleinsatz dennoch eine hervorragende Qualität bei Schriftsätzen zu erzielen und um Verfahren breit skalieren zu können.

Bild KI-generiert mittels Dall-E.

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